Samstag, 17. Januar 2009

Flüchten oder Standhalten.....?


Wo Menschen in Gruppen oder Institutionen zusammenkommen und zusammenarbeiten, entstehen aufgrund unterschiedlicher Interessen und Handlungsweisen der einzelnen Personen auch Spannungsfelder. Dazu ein Ausschnitt aus "Flüchten oder Standhalten", Horst-Eberhard Richter (S. 217):
...
Eîn kritischer Punkt der besonders leicht ein Spannungsfeld zwischen Freiwilligen und Hauptamtlichen begründet, ist die Einstellung zur Bürokratisierung. In bezahlter Arbeit wächst anscheindend automatisch die Tendenz, die Ordnung der Tätigkeit zu perfektionieren. Man fühlt sich gedrängt, alle Vorgänge säuberlich zu protokollieren, zu dokumentieren und abzuheften. Freiwillige neigen, so scheint es, eher dazu, solche Aufgaben nicht so wichtig zu nehmen. Indem sie das Spontaneitätsprinzip obenan stellen, ziehen sie sich leicht den Vorwurf der Schludrigkeit zu. Umgekehrt geht von den Hauptamtlichen die Gefahr aus, eine Gruppenarbeit durch Bürokratismus um ihren kreativen Schwung zu bringen, indem sie zuviel Energien auf das administrative Nebenher lenken.

Die Gefahr wird dann deutlich, wenn die Bürokratisierung sich über das notwenige Minimum eines unerlässlichen Hilfsapparates hinaus entfaltet und ein Eigenleben gewinnt. Man veranstaltet Erhebungen, sammelt Protokolle, schreibt Arbeitspapiere und Infos, fotokopiert, verteilt und heftet ab, um möglichst viele Informationen zu vermitteln. Aber es kann leicht geschehen, dass nur ein kleiner Teil des Geschriebenen wirklich verarbeitet wird und dass immer mehr Papier nur abgelegt und archiviert wird, ohne die Arbeitsprozesse im sozialen Feld zu beeinflussen. Manches Wichtige, was erdacht und errechnet wird, fliesst nur noch in die Akten und geht damit verloren. Natürlich stiftet der Prozess des Niederschreibens, Vervielfältigens und Verteilens von Informationen immer nur dann Nutzen, wenn man sich anschliessend mit dem Material wirklich auseinandersetzt und sich nicht angewöhnt, die ausgegebenen bzw. abgelegten Papiere als solche bereits für wirksam zu halten. Zuviel Papier liest nachher niemand mehr - oder nur der eine oder andere Funktionär, der dadurch die ganze übrige überforderte Gruppe manipulieren kann.
Es ist jedenfalls eindrucksvoll zu verfolgen, wie sich manche Gruppen unter dem Einfluss Hauptamtlicher einen aufgeblähten Bürokratismus aufbürden, noch bevor sie von übergeordneten Instanzen in diese Richtung gedrängt werden. (...) Die Mikrobürokratie kann sich so auswachsen, dass immer mehr Energien aus dem unmittelbaren sozialen Arbeitsfeld abezogen und damit verbraucht werden, den Organisations- und Verwaltungsapparat auszubauen und zu komplizieren. ....

Keine Kommentare: